Robotic Process Automation: «DIE» Lösung für all Ihre Digitalisierungsprobleme?

FROX AG
03.08.2020

Ein digitaler Software-Roboter, der Geschäftsprozesse automatisiert, den Arbeitsaufwand Ihrer Mitarbeiter reduziert und somit Kosten minimiert. Klingt verlockend? Ist es auch! Nicht umsonst sind sogenannte RPA-Tools derzeit in aller Munde. Doch was steckt eigentlich hinter der neuen Technologie und was können RPA-Produkte wirklich? Erfahren Sie in diesem Artikel, in welchen Prozessbereichen RPA-Software sinnvoll eingesetzt werden kann, in welcher Beziehung sie zu Business Process Management (BPM) steht und wo sie besser mit Vorsicht zu geniessen ist!

Robotic Process Automation einfach erklärt

Robotic Process Automation (RPA) erlebt aktuell einen regelrechten Hype. Es handelt sich dabei um die automatisierte Bearbeitung von regelbasierten Geschäftsprozessen auf Ebene der grafischen Benutzeroberfläche. Nachdem die Software-Bots Anweisungen erhalten haben, sind sie in der Lage, vollständig alleine zu arbeiten. Anwender ersparen sich somit unbeliebte Tätigkeiten wie wiederholte Dateneingabe und können sich anderen Aufgaben widmen.

Die folgende Grafik zeigt einen Überblick über die möglichen Vorteile von Robotic-Process-Automation-Tools.

15 RPA Benefits Compiled from Top Sources [2020 update
Quelle: AI Multiple, «15 RPA Benefits Compiled from Top Sources [2020 update]», 2020.

 

Geeignete Anwendungsfälle für RPA sind (nach MindMajix) beispielsweise Website Scraping, Produktbestellungen und Datensynchronisation. McKinsey Digital hebt hervor, dass menschliche Fähigkeiten wie Urteilsvermögen und emotionale Intelligenz bei RPA-Tools nicht vorliegen. Das heisst im Unterschied zu kognitiver Automation liegt der Fokus auf simplen bzw. stark regelbasierten Aufgaben.

Wie funktioniert RPA überhaupt?

RPA Produkte zeichnen sich dadurch aus, dass sie durch sogenannte «Robots» Interaktionen auf der UI Ebene ausführen können. Das bedeutet, dass die «Robots» ein UI wie ein Benutzer öffnen und danach Mausklicks und Tastatureingaben imitieren. Die Grundlage dieser Technologie stammt aus der Domäne von UI Test-Tools – daher kommen einige RPA Hersteller ursprünglich aus diesem Bereich und haben ihr Produkt für den Einsatz von RPA angepasst.

Durch das Verknüpfen mehrerer UI Interaktionen in einem Workflow kann dann auch ein Prozess, also eine Abfolge von UI-Interaktionen, abgebildet werden. Die Vorlage für die Robot Interaktionen können klassisch durch Konfiguration erstellt oder bei einigen Herstellern mit einer Art «Recorder» aufgezeichnet werden.

RPA bietet die Möglichkeit auch Interaktionen mit Systemen durchzuführen, die kein modernes API anbieten (Legacy Systeme) oder für die aus anderen Gründen nur der UI Zugang existiert.
Die Anwendung von RPA birgt jedoch auch Risiken. Als eine der grössten Schwachstellen ist die Abhängigkeit vom UI anzumerken. Im Falle einer hohen Änderungsfrequenz ist regelmässig Nacharbeit an den Robot-Aufzeichnungen erforderlich.

Bernd Rücker erkennt durchaus Potenzial im gezielten Einsatz von RPA. Er befürwortet die Software als schnelles Hilfsmittel für veraltete Systemintegration, die nicht mit modernen Systemen vereinbar ist. Das Automations-Tool eignet sich jedoch nur als kurzfristige Lösung. Eine Modernisierung der Systemlandschaft ist auf Dauer unumgänglich.

Wir haben für Sie zusammengefasst, wo die Stärken und Schwächen von RPA-Software liegen und führen Sie durch relevante Konfliktbereiche.

1. Integration in Systemlandschaft

RPA muss als externe Software in die bestehende Systemlandschaft integriert und mit Schnittstellen angebunden werden. Die technischen Voraussetzungen dafür sind relativ gering und es funktioniert auch ohne moderne API’s. Ein User Interface, das vom Automationssystem zugänglich ist und ein User Account im Zielsystem sind völlig ausreichend.
Damit hier jedoch keine Lücken entstehen, sollte dieser Schritt von IT-Spezialisten durchgeführt werden. Laut Rücker sind hier vor allem die IT-Architektur, Infrastruktur und Sicherheit zu beachten. Anwender aus den verschiedenen Geschäftsbereichen verfügen nicht über das Fachwissen, um die Systemintegration risikolos durchzuführen.

2. Sicherheitskonzept

Die Einführung von RPA-Software muss mit den Sicherheitsrichtlinien einhergehen. Es muss also über Berechtigungskonzepte entschieden werden. Während einzelne Anwender nur limitierte Bedienungsrechte haben, benötigt der Bot User Accounts und Zugriffsrechte auf die Daten und Funktionen aller Zielsysteme. Wenn die zu automatisierenden Aktionen sensible Daten enthalten, (Persönliches, Finanzielles, Bestellungen, etc.), dann sind diese Informationen jedem Administrator der RPA-Lösung ebenfalls zugängig. Nicht jede Organisation ist bereit, dies zu akzeptieren.
Das Problem dabei ist, dass es schwierig wird, nachzuvollziehen, welcher Bot welche Tätigkeit in welchem Geschäftsbereich durchgeführt hat. Zudem können auch Anwender plötzlich Prozesse aus anderen Abteilungen bedienen, sind aber nicht in der Lage, die Ergebnisse richtig zu verifizieren.

3. On-Premises vs. Cloud

Ein weiterer wichtiger Faktor im Hinblick auf ein ordentliches Sicherheitskonzept ist die Art der Datenverwaltung. Der Grossteil aller Unternehmen verfügt über eigene Server mit starken Firewalls. Zukünftig könnte die Cloud allerdings immer mehr an Bedeutung gewinnen (weniger Kosten und Datencrashs), womit die firmeninternen Daten Teil des Internets und somit für Hacker leichter abgreifbar werden. Hier sollte speziell bei sensiblen Daten genau überlegt werden, ob die Verwendung von externer Software über die Cloud in das eigene Sicherheitssystem passt.
Bei cloud-based Installationen verschärft sich das Risiko:

  • Die Ziel-Applikationen müssen der Cloud zugänglich gemacht werden.
  • Die kritischen User Accounts für die Automationen sind in der Cloud gespeichert und damit tendenziell gefährdeter.

4. Testzyklus Ergebnis-Check

Mit der Installation von RPA-Software allein ist die Arbeit nicht getan. Damit die Prozesse von den digitalen Robotern so detailliert wie möglich durchgeführt werden können, müssen zuerst alle Schritte exakt abgebildet werden. Als Grundlage sind daher BPM – und in diesem Zusammenhang auch DBP (Digital Business Platform) – unumgänglich. Sie sorgen für die automatische Abbildung der Prozesse, während RPA sich um die Durchführung kümmert. Im Idealfall bilden beide eine Symphonie. Fehlt es jedoch im BPM-Bereich an Genauigkeit, kann auch das Potenzial von RPA nicht richtig ausgeschöpft werden. Sind die Grundlagen gegeben, können erste RPA-Testzyklen gestartet werden. Key User müssen kontrollieren, ob diese Tests auch richtig durchgeführt wurden und ob die Ergebnisse stimmen. Die Protokolle sollten zu Beginn intensiv und später zumindest stichprobenartig überprüft werden.

5. Prozessveränderungen und Zuständigkeit

Ein Automations-Tool, das (theoretisch) sowohl von End-Usern als auch von Key-Usern und der IT verwaltet werden kann, gibt viel Spielraum für die Frage nach der Zuständigkeit. Wer bestimmt, wie das Tool angewendet und verwaltet werden soll? Wer trägt die Verantwortung? Hinzu kommt, dass jegliche Prozessveränderungen ausserhalb des RPA-Tools den Workflow stören und die Software dementsprechend angepasst und kontinuierlich upgedatet werden muss. Im Idealfall sollten sich IT-Experten darum kümmern, den Bots die neuen Prozesse beizubringen.

How to benefit from robotic process automation RPA
Quelle: Bernd Rücker, «How to benefit from robotic process automation (RPA)», 2018.

6. Komplexe Prozessthemen vs. «Monkeywork»

Die Kernkompetenz von RPA-Produkten liegt darin, einfache, regelbasierte Prozesse durchzuführen. Repetitive, klar vorgegebene Arbeit kann von den Bots übernommen werden, was sich insbesondere bei einem hohen Volumen dieser Anwendungsfälle lohnt. Sollen allerdings auch komplexere Usecases automatisch durchgeführt werden, erfordert dies viel Aufwand bei Erstellung und Instandhaltung. Ob und wann sich dieses lohnt, muss daher über eine Aufwand/Nutzen Betrachtung entschieden werden.

7. Qualitätssicherung und Analytik in RPA

Gutes Error-Handling, Validierungen und Audit Logs sind bei jeder Automationslösung der Schlüssel zu einer stabilen Automation. Diese Faktoren sind bei RPA besonders wichtig, weil ein tendenziell instabiles API (nämlich das UI) genutzt und mit potentiell sehr privilegierten Accounts der Zielsysteme gearbeitet wird. Dabei können schwerwiegende Fehler entstehen. Mit einem soliden Error-Handling und Alarming fallen Probleme dann wenigstens frühzeitig auf. Die Testprotokolle des RPA-Tools müssen also regelmässig überprüft und die Ergebnisse analysiert werden. Je nach Komplexität können das entweder Anwender, Key User oder die IT erledigen. Der Aufwand wird also vom Testen zur Analyse verlagert. Stellt sich die Frage, wie umfangreich die Zeitersparnis dann wirklich noch ist.

RPA und BPM: Vergleich und Einsatzempfehlung

RPA als neue Automations-Software und der klassische BPM-Ansatz schliessen sich nicht aus, sondern komplementieren sich. Eine solide BPM-Basis kann in Kombination mit professionell betreuter RPA zu einer rundum gelungenen Prozessautomation führen. Im Folgenden finden Sie konkrete Einsatzempfehlungen im Überblick.

Wann sollten RPA-Tools eingesetzt werden?

  • Es liegen strikt regelbasierte Use Cases vor
  • Moderne, API-basierte Automation ist nicht möglich
  • Die Automationen sind klein und übersichtlich (wenige Fallunterscheidungen und Ausführungspfade)
  • Es handelt sich um relativ stabile User Interface Zielsysteme (z. B. Legacy Systeme am Ende des Lebenszyklus)
  • Der Lifecycle der Zielsysteme ist kontrollierbar (damit man frühzeitig auf neue Versionen und die damit verbunden Probleme reagieren kann), was meist auf In-House Applikationen zutrifft

In welchen Fällen macht BPM (mit API basierten Schnittstellen) Sinn?

  • Wenn moderne Schnittstellen zur Verfügung stehen
  • Bei komplexeren End-to-End-Prozessen

Wann empfiehlt sich ein Kollaborations-Use Case?

Durchgängige BPM Automation ist nicht möglich, weil ein oder mehrere Legacy Systeme involviert sind, die keine modernen API’s anbieten. Mittels eines RPA oder UI Test-Tools kann dann für einen konkreten Prozessschritt ein «Legacy-Interface» erstellt werden, um so den Medienbruch im End-to-End-Prozess zu verhindern.

Unser Fazit

Richtig angewendet und in einer handfesten IT-Strategie eingebettet, kann RPA effektiv ein weiterer Schritt in Richtung moderne Prozessautomation sein. RPA hat also durchaus seine Berechtigung im BPM Automation-Umfeld, muss aber bewusst und punktuell eingesetzt werden.

Unserer Meinung nach ist dieser Einsatzbereich relativ klein und eingeschränkt: Automationen mit Systemen, die keine modernen Schnittstellen bereitstellen. RPA nimmt für den Enterprise Process-Automation-Einsatz also eher die undankbare Rolle eines auf spezifische Anwendungsfälle eingegrenzten, temporären «Painkillers» ein. Wie bei allen temporären Lösungen muss man sich bewusst sein, dass eine Lösung letztendlich zweimal implementiert werden muss: Als temporäre und als «richtige» Version.

Wenn ein modernes API zur Verfügung steht, sollte auf jeden Fall auf dieser Basis automatisiert werden. Diese Art der Automation wird von allen BPM-Systemen unterstützt. Moderne Web-Applikationen werden heute nach einem API-first-Paradigma entwickelt, sodass die Notwendigkeit für UI-basierte Schnittstellen à la RPA sukzessive verschwinden wird. Auch wenn prinzipiell fast alle Prozesse mit RPA-Tools ausgeführt werden könnten, ist das User Interface als API als zugrundeliegende Basis zu instabil für umfassende Enterprise Automation.

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